Fahrradhändler
von Reinhard Kahrer

Zeitmaschine Fahrrad

Wie einst im Mai erblühen unter Manfreds Händen Fahrräder, die ihr Ablaufdatum längst überschritten haben. Der Weg dahin ist nur mit Enthusiasmus und geübter Meisterhand zu bewältigen. Manchmal trägt es sich zu wie in einem Krimi, bis die ware Identität eines besonderen Stücks zu Tage tritt. So im Fall eines verrosteten Fahrrads, das auf e-bay um einen Nasenrammel ersteigert wurde und sich als Rarität herausstellte. Mit einen beachtlichem Lager von historischen Fahrrädern und Ersatzteilen sind Eleonore Ondrak und Manfred Dittler eine Besonderheit unter Wiens Fahrradhändlern.
 
Sein erstes historisches Fahrrad restaurierte Manfred vor drei Jahren. Hilfreich dabei war seine Ausbildung als Maschinenbauer und Erfahrung als Restaurator. So findet man in seinem Haus im 12.Bezirk auch eine umfangreiche Sammlung von historischen Lampen und Espressomaschinen. Mittlerweile hat er die genaue Rekonstruktion von historischen Fahrradmodellen zur Meisterschaft gebracht. Unverzichtbar neben handwerklichen Fähigkeiten sind dabei historische Kataloge oder einschlägige Bücher wie Papperitz "Markenware Fahrrad", wo akribisch Modelle und deren Entstehungsgeschichte sowie Firmenlogos aufgelistet sind - "die Bibel jedes Fahrradsammlers", so Manfred. Bei diesen teils aufwendigen Recherchen steht ihm seine Lebensgefährtin Eleonore

zur Seite, die neben der "Wiesner Rahmennummernliste" eine eigene Liste angelegt hat, mit der sich Räder datieren lassen. Ein Wunsch der beiden ist ein Zentralarchiv, in dem jenseits sammlerischer Eifersucht alle Informationen von Fahrradsammlern zusammenfließen

Ihr Fahrradlager ist mittlerweile auf 500 Rädern angewachsen,
von denen Manfred einige bereits in einen unglaublich schönen und fahrtüchtigen Zustand brachte. Diese werden im angeschlossenen Geschäftslokal zum Verkauf angeboten. Der Verkaufspreis wird von beiden als Schmerzensgeld tituliert, - verständlich, wenn man die Seltenheit einiger Exponate denkt. Zudem vergehen oft Jahre bis ein Fahrrad in seinem Orginalzustand wiederaufersteht. Selbstredend, dass sie sich von einigen Schmankerln nicht so schnell trennen wollen. Ein großes plus ihrer Fahrradsammlung ist das breite Reportoire. Es werden Räder aus den Zeitperioden von 1880 bis in die Gegenwart angeboten, - "und das obwohl sich die Dokumentation der ab den 1940er Jahren gebauten Räder verschlechtert", so Manfred, weil ab dieser Zeit das Interesse der "Hardcorsammler" schwindet. Eine besondere Freude für Eleonore und Manfred sind Fahrräder, die im Orginalzustand erhalten sind. Als Glücksfall für ihre Sammlung erwies sich der Nachlass eines ehemaligen Arbeiters der Puchwerke bei Graz, von dem insgesamt acht Lastwagenladungen, zum Teil fabrikneuer Fahrräder und Fahrradteile aus der Zeit von 1900 bis 1940, aufgekauft wurden. Allein das Sortieren der Schätzte dauerte einige Monate.

Ähnlich einem Kriminalfall
trug sich die Identifizierung ihres bisweilen wertvollsten Rades zu. Im Sommer 2005 ersteigerten sie auf e-bay ein komplett verrostetes Fahrrad aus Bad Ischl. Daraufhin wurde das Rad im deutschen Fahrradsammler Forum eingehend besprochen. Außer der Gewissheit, es müsse sich um "etwas Altes" handeln, kam man dort zu keinem genaueren Ergebnis. Auch SammlerInnen und ExpertenInnen, die das Rad vor Ort in Augenschein nahmen, kamen zu keinem anderen Schluss. So wurde das Rad von Manfred am Osterwochenende 2006 vorsichtig vom Rost befreit. Die erste Überraschung! Das Rad war darunter in einem außergewöhnlich guten Zustand. Auf dem Kettenblatt, einer Vollscheibe, kam eine geprägte Verzierung zum Vorschein und auf dem Lenkerkopf - für das ungeübte Auge kaum erkennbar - eine Ätzung! Als Manfred entdeckte, dass das Kettenblatt verkehrt eingebaut war und er dessen vermeintliche Rückseite polierte, löste sich das historische Rätsel. Es handelt sich um ein Johann Puch Rad um das Jahre 1906! Eine Sensation!

Gerne nehmen sich die beiden auch um Kundenfahrräder an,
von der exakten Datierung bis zur originalgetreuen Rekonstruktion wird bei ihnen alles angeboten. Auch spezielle Kundenwünsche - wie beispielsweise ein historisches Rad mit neuerer Technik auszustatten -findet bei ihnen ein offenes Ohr. Ein großes Lager an historischen Ersatzteilen sowie das Wissen um die technischen Besonderheiten, stehen dafür zur Verfügung. Manfred erweist sich in Sachen historischer Modellpflege als wandelndes Lexikon. Kadernbetriebene Räder von 1910 oder eine Tretkurbelschaltung von Adler aus dem Jahre 1930 sind nur ein kleiner Auszug aus seinem Fahrradarchiv, die der interessierte Besucher gleich Vorort in Augenschein nehmen kann. Gut erhaltene Räder müssen "nur" fachmännisch poliert und die Lager nachgefettet werden - eine Neulackierung wäre da ein Verbrechen. Ist eine Lackierung unvermeidbar, werden nach dem Entrosten und Entlacken acht Schichten Lack aufgetragen. Alte Reifen werden mit Amorall behandelt. Eine Neueinspeichung der Felgen ist oft weniger aufwendig, als die Speichen zu polieren. Unwiederbringliche Teile stellt Manfred selbst her wie z.B.: Lenkergriffe aus Holz oder spezielle Pedale. Verchromen und Vernickeln lässt er jedoch außer Haus. Alte Firmenlogos werden von Eleonore am Computer rekonstruiert, und von einer Spezialdruckerei in Deutschland als Abziehbild gefertigt. Die Linierungen (das sind die schönen Streifen auf den Felgen und dem Rahmen der Räder), die in den Puchwerken bis in die 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts von Frauen händisch gemahlt wurden, werden nun von Manfred orginalgetreu gemacht. Auch engagierten Hoppybastlern stehen Manfred und Eleonore mit Rat und Tat zur Seite. Ersatzteile gibt es zwar nicht um sonst, aber dafür in großer Auswahl und bester Qualität.
Nähere Informationen unter:
Manfred Dittler Schlögelgasse 19
1120 Wien
01/ 802 52 22
www.waffenrad.at

Das Journal für RadfahrerInnen
Drahtesel

Autor Reinhard Kahrer

ARGUS - Die Radlobby
Frankenstr. 11
1040 Wien
Tel.:  01 / 505 09 07
Fax.: 01 / 505 09 07-19

E-Mail: service@argus.or.at
Web:
www.argus.or.at

 
Wir bedanken uns recht herzlich
ÜBERSICHT
E-MAIL
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag von 10:00 bis 18.00 Uhr